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Berlin, und mit der Bitte um Entschuldigung für die Missachtung einer Stadthälfte, für dieses eine Mal: West-Berlin hat nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutende und weniger bedeutende Regierende Bürgermeister hervorgebracht. Klaus Wowereit, der nun heute nach einer herrscherähnlichen, Monate währenden Abschiedstournee durch die Stadt tatsächlich zurücktritt, historisch einzuordnen, das sollen, mit gebührendem Abstand, Politikwissenschaftler und Zeitgeschichtler vornehmen.
Eines aber darf man heute schon sagen: Berlin hat noch nie einen so unverstellten, so wenig angepassten und gleichzeitig so ungezogenen wie kultivierten Regierenden Bürgermeister gehabt.
Zwischen Pampigkeit und mitreißendem Charme hatte Klaus Wowereit alles drauf. Er konnte hart austeilen und schlecht einstecken, war dabei weit sensibler, als ihm recht sein dürfte, kurz: Er war in seinen dreizehn Amtsjahren auch so etwas wie das Maskottchen der Stadt, ein Werbefaktor von hohen Gnaden, unbezahlbar, wenn er sein durchaus schillerndes Image weltweit zum Wohl seiner Heimatstadt einsetzte. In diesem Sinn sagen nicht nur Tourismusfachleute: Er wird uns fehlen.
Er änderte Berlins Erscheinungsbild
Aber da er 2001 ja nicht zum Oberspaßmacher der deutschen Hauptstadt gewählt worden war, sondern als ihr Regierungschef, muss man am Ende der Ära Wowereit fragen, was er der Stadt brachte, über Atmosphärisches hinaus. Wobei das eben nicht zu kurz kommen darf in der Bilanz. Dass Berlin heute nicht mehr Synonym für Kalter Krieg, Mauer, Arbeitslosigkeit, Nazis, Ulbricht und Subventionsmentalität ist, hat viel mit Wowereit zu tun. Er holte mit Thilo Sarrazin und Ulrich Nußbaum zwei Finanzsenatoren, die der Stadt und ihren Verwaltungsebenen beibrachten, mit dem vorhandenen Geld auszukommen und nicht mehr zu meinen, nur weil dies Berlin sei, müsse es von allem etwas mehr geben. Dass Sarrazin sozialpolitisch ein Blindgänger, Nußbaum nicht frei von Selbstüberschätzung war – geschenkt.
Auch wenn die Berliner Wirtschaft es nicht glauben will: Dass es der Stadt heute auch konjunkturell weit besser geht als noch vor zehn Jahren, dass Berlin Gründerhauptstadt wurde und bei den Wachstumsraten vorne liegt, war kein Selbstläufer. Auch das hing mit dem durch Wowereit grundlegend veränderten Erscheinungsbild der Stadt zusammen. Und dass die Kulturszene ihn geradezu vergötterte – wer kann es ihr verdenken? Ein Regierender Bürgermeister, der nicht nur für Klassik, sondern auch für das Schrille, Alternative eine Antenne hat – wo gab es das schon vorher?
Aber es gibt eben auch Negatives. Wowereits Marketingtalent war deutlich ausgeprägter als seine Gestaltungskraft. Er konnte sehr nachtragend sein. Und er war ein Bürgermeister, dem es oft an Weitblick fehlte. Nirgends hat sich das dramatischer gezeigt als beim Flughafenprojekt BER, dessen Aufsichtsrat er von 2006 bis 2013 präsidierte, sehr lange, ohne zu merken, was da schieflief.
Der Umgang mit dem Flughafen Tempelhof? Desaströs
Darüber geriet fast in Vergessenheit, dass auch sein Umgang mit dem früheren Flughafen Tempelhof desaströs war. Er drückte die Schließung weit vor der aus rechtlichen Gründen gegebenen Terminsetzung durch, ohne dass er ein vernünftiges Nutzungskonzept vorlegen oder auch nur anregen konnte. Die über ein Volksvotum erzwungene totale Entwicklungsblockade geht letztlich auf sein Konto.
Auch für andere Kernthemen der Stadt hatte er kein Gespür. Integration der zweiten Migrantengeneration, fehlender Wohnraum, Stadtentwicklung entlang der Verkehrsachsen, Versöhnung des alten mit dem neuen Berlin – in keinem dieser Bereiche hat Wowereit erkennbar die Initiative an sich gezogen. Fazit: Er hat der Stadt ganz gut getan, aber seine Zeit ist vorbei. Für viele war er am Ende so etwas wie das Bildnis des Dorian Gray. Denen geht noch immer das Foto aus dem Jahre 2001 nicht aus dem Kopf, mit rotem Damenschuh und Champagnerflasche. Gestellt war es schon damals. Und dem Klaus Wowereit von heute ist es nicht mal ähnlich.
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