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Manche Leute halten das Berliner Stadtwerk für Wählerbetrug. Belege dafür lassen sich deutlich leichter googlen als die Homepage berlinerstadtwerke.de. Aber der Chef ist echt und hat sein Büro sogar gleich hinter dem Roten Rathaus mit Blick auf Fernsehturm und Weihnachtsmarkt samt Riesenrad.
Das große Rad drehen soll auch Andreas Irmer – sofern es sich um ein Windrad handelt, das Ökostrom für Berlin erzeugt. Im Juni ist der 54-jährige Ingenieur zum Geschäftsführer der Berliner Stadtwerke GmbH unter dem Dach der Wasserbetriebe berufen worden. Des Bonsai- Stadtwerkes, wie Kritiker sagen. Denn anders als andere kommunale Versorger darf es laut Parlamentsbeschluss nur selbst produzierten Strom verkaufen.
Das dauert. Ohne Windräder und Solarzellen keinen Strom, ohne Strom keine Kunden.
Irmers Laune könnte miserabel sein bei dieser Ausgangslage. Aber er sieht die Sache positiv nach dem Motto: Was man nicht hat, macht auch keinen Ärger. „Wir müssen keine Anlagen auslasten und keine Kontingente abnehmen.“ Anders als klassische Versorger können die Stadtwerke die Leute zum Stromsparen animieren, ohne dadurch ihren Profit zu schmälern. Deshalb fühlt sich Irmer nicht unwohl in dem engen Korsett, das ihm die Landespolitiker angelegt haben. Sein Stadtwerk kann nur verkaufen, was es wirklich hat. Sinnvollerweise, sagt er, sei das Strom aus Solaranlagen, der direkt vom Dach zu den Gebäudenutzern fließt. Weil aber ein reiner Schönwetterversorger keinen Kunden gewänne, müssen als zweites Standbein im Umland Windräder gebaut werden, die ihren Strom ins Netz einspeisen, so dass das Stadtwerk die entsprechende Menge liefern kann, auch, wenn die Sonne nicht scheint. Entscheidend ist, dass am Ende die Bilanz aus Einspeisung und Verbrauch stimmt.
Ein Team von fünf Leuten arbeitet unter Irmers Regie an diesem Konzept. Es kann nur funktionieren, wenn sie gleichzeitig Wohnungsbaugesellschaften, Unternehmen und Hausverwaltungen von ihren Solarstromangeboten überzeugen und im Umland die notwendige Zahl an Windrädern errichten. Bei beidem sind sie nicht allein: Solarfirmen und Dienstleister buhlen um die Nutzer unterm Dach, seit sich die Einspeisung ins allgemeine Netz kaum noch lohnt. Und für Windparks gebe es viel mehr Projektentwickler als Flächen, sagt Irmer. Zumal von einem Dutzend beantragter Mühlen nach Abwägung aller luftfahrttechnischen, militärischen, naturschützerischen und lokalpolitischen Einwände womöglich nur eine Handvoll übrig bleibt.
Fragt man Irmer, wo seine Solarmodule und Windräder stehen, wird er schweigsam – wegen der Konkurrenz, aber auch mangels abgeschlossener Projekte. Doch er versichert: „Wir haben klare interne Zielvorgaben, was wir erreichen müssen. Und dabei liegen wir auf Kurs.“ Die Vermieter seien „extrem kooperativ und offen“, und mit den Berliner Stadtgütern habe man einen landeseigenen Partner mit großen Flächen für Windräder. Auch für Mais oder andere Energiepflanzen? Nein, sagt Irmer. In diesen Markt wolle man nicht einsteigen.
Allenfalls hoch effiziente Blockheizkraftwerke als Lieferanten von Strom und Wärme kämen noch infrage. Auch die gibt es bei der Konkurrenz schon. Irmer glaubt trotzdem, dass die Kunden auch bei ihm und seinen Projektentwickler-Kollegen kaufen werden. Man müsse einfach gute Angebote maßschneidern und mit Menschen umgehen können.
Einschlägige Erfahrung hat er schon als Vermarkter von Dienstleistungen und Produkten für Kommunen und Unternehmen gesammelt. Später wurde er Leiter für Unternehmensstrategie und den Umgang mit Anlagen und Infrastruktur bei den Wasserbetrieben. Wer schon millionenschwere Geschäfte mit teils auswärtigen Großkunden vereinbaren konnte, wird als Chef eines lokalen Berliner Ökostromversorgers allemal überzeugen können, lautet seine Prognose sinngemäß. Ob sie sich erfüllt, ist offen. Vom Riesenerfolg bis zum Scheitern scheint alles möglich.
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